The tide is high but I keep shooting.

Das Einzige, das hier in Vegesack genau so regelmäßig nach oben schießt wie Spielotheken und Bäckereien (Frisöre und Kioske), ist das Wasser. Hochwasser macht uns hier keine Angst. Die meisten Vegesacker wohnen  auf einem Berg und laufen extra zum Hafen runter um zu gucken wie hoch das Wasser steht. Manche (ich) ziehen sich sogar Gummistiefel an und laufen durchs Wasser um Fotos zu machen.

 

Dieses Foto entstand Ende 2014 und ist wohl sowas wie ein Klassiker.
(Mir fällt jetzt, wo ich das schreibe, auf, dass das ja schon 10 Jahre her ist – Jubiläum. Dann ist es jetzt offiziell ein Klassiker!)

Das ich gerade jetzt darüber schreibe ist ein Zufall. So wie viele Fotos von mir purer Zufall sind.
Ich glaube sowieso, dass jedes Foto mit Glück oder Zufall zu tun hat. Ich meine, alles was du tun musst ist „da sein“. Mit einem Handy musst du dich nicht mal mehr mit Technik auskennen. Du musst nur da sein und auf’s Display drücken – simple as that.
Klar, der Trip auf einen Berg um am nächsten Morgen den Sonnenaufgang zu fotografieren, will geplant sein. Aber zum Glück ist es dann auch noch nebelig und ein paar Wolken ziehen auf um das Foto dramatischer zu machen. Du musst nur da sein!
How to take good photos? Show up!

Hochwasser 2017

Wie ist dieser Classic-Shot nun entstanden?
Ich habe durch Zufall mitbekommen, dass Hochwasser ist. Mein Glück war, dass auch noch das Wetter mitspielte. Ich fuhr schnell zu meinem Opa um mir seine Angelstiefel zu leihen – zwei Nummern zu klein. Ich fuhr zurück, parkte bei der Regina, quetschte mich in die Stiefel und lief los.
Das Wetter war noch schlecht, was ich gar nicht schlimm fand denn ich fotografiere gerne bei schlechtem Wetter. Nasse Straßen reflektieren dann und dicke Wolken sorgen für Drama. Schönwetter-Fotos sieht man überall. Aber bei Regen und Sturm gehen halt nicht so viele Leute raus. Genau so, wie wenig Leute ins Hochwasser laufen.

Es regnete noch etwas, und das Wasser stand so hoch, dass ich noch nicht zwischen den Kugel-Ahörnern rumlaufen konnte. Also fotografierte ich erst mal vom Stadtgarten aus. Ich machte Nahaufnahmen vom Wasser, Fotos auf Bodenhöhe bzw. Wasserhöhe und hielt meine Kamera in die entgegenkommenden Wellen. Damals habe ich noch mit Canon fotografiert und für mein Kit-Objektiv wäre es das bei diesen beiden Fotos fast gewesen.

Um zum Utkiek zu kommen, musste ich die große Treppe hoch und die Rohrstraße runter laufen. Das Wasser war einfach noch zu hoch, um an der Signalstation vorbei zu laufen. Von der Regina bis zum Walkiefer war auch schon ne Stunde vergangen.
Die Fähre am Utkiek stand so hoch, man dachte sie wird gleich zum Walkiefer gespült.

Der Himmel klarte langsam auf und sorgte so für reichlich Drama.
Langsam ging das Wasser zurück und ich machte mich auf den Rückweg durch den Stadtgarten, vorbei an der Wallflosse die man natürlich fotografiert wenn das Wasser so hoch steht.
An der Signalstation konnte ich  gerade so vorbei laufen, ohne dass das Wasser mir in die Gummistiefel lief. Ich watschelte zwischen die Kugel-Ahörner um das obligatorische Foto mit den leitenden Linien zu machen, als ich ein paar Möwen etwas entfernt vor mir sah, welche chillig in den Wellen schaukelten (was ein Zufall). Schleichend, um so wenig Wellen wie möglich zu machen, näherte ich mich den Möwen. Da kam mir die Idee, es wie mit den Tauben zu machen: Kurz mal hoch springen oder mit dem Fuß auf den Boden stampfen, damit sie panisch wegfliegen und es so ein geiles Foto wird. Egal was Tauben für einen Ruf haben, im Flug sind sie sehr fotogen.
Jedenfalls dachte ich, wenn ich nah genug an die Möwen rankomme klappt das bestimmt genau so gut, die sind ja noch ein bisschen schreckhafter als Tauben – es sei denn, du hast was zu essen in der Hand. Ich wollte nicht zu viel riskieren, also zoomte ich ein wenig ran. Ich sprang leicht hoch, das Wasser planschte, nichts passierte. Toll!
Also noch ein bisschen näher ran (ich machte weniger Wellen als Jesus der über’s Wasser lief), Fokus neu gesetzt, Kamera still gehalten, ausgeatmet und richtig hoch gesprungen. Es planschte so heftig, meine Stiefel waren voll und ich war auch nass.
Dafür flogen die Möwen jetzt aber panisch in Richtung Sonne. Ich drückte ein paar mal ab und hoffte auf das Beste.

2021 hatte ich das Glück das Foto nachstellen zu können. Diesmal waren die Bäume nicht kahl, die Möwen waren Enten und ich musste ein bisschen mit dem Licht nachhelfen. Aber wie groß ist die Chance, dass sieben Jahre später an der gleichen Stelle wieder irgendwelche Fliegviecher chillen.
Die Jahre davor war ich auch immer wieder mal auf Hochwasserjagd. Denn nachdem ich die Fotos 2014 veröffentlicht hatte, haben mir immer wieder Leute geschrieben das Hochwasser ist und gefragt, ob ich fotografieren gehe. Oft genug war ich auf Montage oder gerade nicht da. Aber ab und zu hat es dann doch mal geklappt (danke für‘ Bescheid geben).
Man sieht aber einen deutlichen Unterschied zu dem 2014er Foto. Ich wusste diesmal was ich mit der Blende anstelle und habe mit etwas Tiefenunschärfe gearbeitet – Sachen auf die ich damals nicht geachtet habe, denn ich wollte ja nur Das Foto im Kasten haben.
Ich hatte noch keinen Plan von irgendwelchen Einstellungen und trotzdem ist ein Foto entstanden, das Wettbewerbe gewonnen hat und sich Leute an die Wand gehangen haben.
Am Ende interessiert es nur Fotografen welche Blende und welches Objektiv verwendet wurde…

 

Hier noch ein paar Fotos von 2014 – 2021: